Wilhelm Reich gilt als der Begründer der Körperpsychotherapie. Sein Ansatz basiert auf der Vorstellung einer in allen lebendigen Naturprozessen wirkenden Lebensenergie, die er Orgon nannte (Nähere Informationen zu Wilhelm Reich: www.wilhelm-reich-gesellschaft.de). Seine Tochter Eva Reich (1924–2008) führte das Lebenswerk ihres Vaters fort und widmete sich insbesondere dem Thema „Sanfte Geburt“ und der Unterstützung der Mutterschaft. Paula Diederichs war ihre Assistentin und führte ihre Einblicke und Erfahrungen in der Krisenbegleitung für Baby, Kleinkind und Familie (KB) weiter. Diese arbeitet ressourcen- und körperorientiert mit interdisziplinär ausgerichtetem Ansatz. Paula Diederichs moderner ganzheitlicher Körperpsychotherapie liegt die Humanistische Psychologie und die Pränatalpsychologie zu Grunde. Weiters fließen neueste Erkenntnisse aus Neurobiologie, Entwicklungspsychologie und der Bindungsforschung mit ein.
Im Zentrum steht hauptsächlich die traumatisch empfundene Geburt, die bei Mutter und Kind zu vermehrter Stresshormon-Ausschüttung im Organismus führt und das Bindungsgefüge belasten kann und auch Regulationsstörungen folgen können.
Durch die Unterstützung der KB kann die Selbstregulation des Kindes sowie auch die der Mutter wiederhergestellt werden, so dass die Co-Regulation durch die Mutter wieder in Takt ist und auf das Kind stressabbauenden und bindungsfördernden Einfluss nehmen kann. (www.pauladiederichs.de)
Sie beginnt mit dem ersten Telefonat-, E-Mail-Kontakt und endet, wenn sich die Situation nachhaltig entspannt hat. D. h. das Kind zeigt die Symptomatik nicht mehr und die Familie verfügt wieder über genügend Ressourcen, um ihren Alltag zu gestalten.
Eine Behandlung umfasst in der Regel 3 bis 10 Termine. Eine Behandlungseinheit dauert jeweils ca. 1 bis 1,5 Stunden. Bei einer sehr deutlich ausgeprägten oder schon länger andauernden Problematik können bis zu zehn Termine notwendig sein, um die Situation zu stabilisieren. Die KB setzt sehr niederschwellig an. Die Krisenbegleitung kann sowohl ambulant als auch in Ausnahmen mobil angeboten werden.
Wir arbeiten mit körper- und gesprächstherapeutischen Methoden, die sich sowohl an die Kinder als auch an die Eltern richten. Auf diese Weise helfen wir, die psychischen und körperlichen Spannungszustände zu begreifen, eigene Kräfte und Ressourcen zu entdecken und so die Spannungssituation zu lösen. Dies führt häufig zu einem relativ schnellen Abklingen der Symptome.
Ziel der KB-Arbeit ist es, die Babys und Kleinstkinder zu beruhigen, die Eltern zu unterstützen, mit den unterschiedlichsten Belastungen umzugehen, sowie die Mütter bei der Aufarbeitung der traumatisch erlebten Geburt zu begleiten. Unsere Krisenbegleitung dient dabei ebenso der Gewaltprävention wie dem Vermeiden von Spätschäden bei den Kindern (z.B. Bindungsstörungen, Hyperaktivität oder Ess- und Schlafstörungen).
Die KB arbeitet unabhängig von der Herkunft und den sozioökonomischen Verhältnissen der betroffenen Eltern und Kinder. Die Krisenbegleitung wird genutzt von Eltern und Kindern aus allen sozialen Schichten.
Pränatal begleiten wir Eltern bei bestehender Risikoschwangerschaft, wenn es in einer vorangegangenen Schwangerschaft zu einer Fehl- und Totgeburt kam und die aktuelle Schwangerschaft nun angstbesetzt ist.
Hauptsächlich begleiten wir Eltern, deren Babys langanhaltend und exzessiv schreien oder Schlafstörungen und Unruhezustände haben. Oft fühlen sich die Eltern hilflos, verzweifelt, körperlich erschöpft und entwickeln Wut gegenüber ihren Babys. Zudem werden sie oft von Schuldgefühlen und Versagensängsten geplagt. Es kann auch zu aggressiven Übergriffen gegen die Kinder kommen.
Wir begleiten Mütter, die eine traumatische Geburt erlebt haben und daran noch leiden. Ebenso begleiten wir Mütter mit einer postpartalen Depression und stellen bei Bedarf auch den Kontakt zur weiteren Hilfe bzw. ärztlichen Seite her.
Information über Krisenbegleitung für Baby, Kleinkind und Familie finden Sie ebenso unter www.rueckhalt.at – Verein Rückhalt Österreich und www.pauladiederichs.de
Wenn Eltern ein Kind freudig erwarten, sind sie selbst mit ihrer eigenen Geschichte, ihrer eigenen, inneren Bindungsgeschichte, die sie aus ihrer Kindheit mitbringen, konfrontiert. Mit der Konzeption und sogar noch vor Beginn der Schwangerschaft und Geburt wird ein für das neue Leben individuelles Bindungskonzept entstehen. Leider kann die freudige Erwartung plötzlich von einer schmerzhaft erlebten Realität überrollt werden und das Familienglück belasten, wie zum Beispiel eine Früh-, Fehl- oder Totgeburt oder ein Notkaiserschnitt. Leider wird heute ein Kaiserschnitt aus zeitlichen sowie finanziellen Gründen einer vaginalen Geburt oftmals vorgezogen. Die Defizite aus emotionaler und körperlicher Sicht werden mehr und mehr wissenschaftlich belegt, wie zum Beispiel Wahrnehmungs- und Bindungsstörungen (vgl. Brisch 2013).
Die psychische Belastung der Eltern bei Unfruchtbarkeit – ein Kind zu zeugen – wird durch Präimplantationsdiagnostik und In-vitro-Fertilisation signifikant erhöht. Dadurch bereits von Anfang an als Risikoschwangerschaft stigmatisiert zu sein, ist eine enorme Belastung für das Elternpaar und hat Einfluss auf das Bindungsgefüge zwischen Eltern und ihrem ungeborenen Kind. Selbst die Pränataldiagnostik ist heute für jede Mutter oder für die Eltern eine Herausforderung, diese in Anspruch zu nehmen mitsamt den möglichen Risiken. Im Falle einer Diagnose wie Trisomie 21, ist die Entscheidung, ein Kind abzutreiben eine folgenschwere, da auch die Pränataldiagnostik nicht hundertprozentig sicher ist. Wie wirkt sich die Bindung zwischen Mutter und Kind aus, wenn es behindert ist? Fragen wie diese stellen Mütter und Väter oft vor schwerwiegende Entscheidungen (vgl. Friedrich 1998).
In der prä- und perinatalen Psychologie wird mit empirischen Beweisen ausreichend darauf hingewiesen, dass die menschliche Entwicklung epigenetisch verläuft, dass Entwicklungen aufeinander aufbauen. Frühere bedingen spätere und umgekehrt und können weder ausgeschlossen noch „vergessen“ werden. Intrauterine und Geburtserlebnisse zum Beispiel Zwillingstod können zu einem späteren Zeitpunkt wiedererlebt, wiederinszeniert werden, quasi „erinnert“. Trennungen vom Partner durch Scheidung oder Tod können so „getriggert“ werden. Gefühle von Ohnmacht, allein und verlassen sein, gefangen oder ausgeliefert sein oder Essstörungen und Bauchschmerzen können eventuell auf ein Geburtstrauma hinweisen (vgl. Janus 1997; vgl. Bauer 2011; vgl. Austermann/Austermann 2012).
Am Beispiel von mit Kaiserschnitt Geborenen wird deutlich, wie Fluch und Segen der Medizin sich auf den kindlichen Organismus auswirken können. Es ist wichtig dies zu erwähnen, wenn man bedenkt, dass in den USA 25 bis 40 Prozent aller Geburten Kaiserschnittentbindungen sind. Kaiserschnittgeburten verlaufen nach dem „Allesoder-nichts-Prinzip“ ab. Anstatt das wellenförmige Geben und Nehmen der Wehen bei vaginaler Geburt wahrzunehmen, wird mit Schnelligkeit ein Wechsel in die neue Umgebung vorgenommen. Beim Kaiserschnitt mit Vollnarkose wird die gute Verbindung zur Mutter behindert. Das Maß an Narkotikum kann dem Kind vielleicht zu viel sein, dass es sich auch in einem betäubten Zustand erlebt und sich selbst nicht mehr wahrnehmen kann. Das macht Angst! Die Lokalanästhesie wäre von Vorteil, da die Mutter bei Bewusstsein ist und mit dem Kind besser in Bindung bleiben kann. Wenn das Narkotikum als Gift wahrgenommen wird, kann dem Baby die folgende Nahrungsaufnahme auch Probleme bereiten. Die Kaiserschnittentbindung ist keineswegs ein Akt von ruhigem, langsamem Herausnehmen des Kindes, sondern ein eher gewaltiger. Abwehrhaltung gegenüber Annäherung und Berührung sowie das starke Bedürfnis danach, kann sich zu einer inneren Unruhe manifestieren. Kaiserschnittkinder sind oft gedrängt, Beschränkungen und Grenzen zu testen! Sie entwickeln vielleicht eine geringe Zielorientierung: Den Wunsch nach Zielen spüren, aber gleichzeitig das Gefühl nicht fähig zu sein, reale Ziele zu finden. Eine Kaiserschnittgeburt wird von Mutter und Kind als Schock erlebt und auf der emotionalen Ebene kann ein Defizit entstehen (vgl. Janus 1997; vgl. Raunig 2015).
Dr. Frank Lake, englischer Theologe und Psychiater, begann um 1954 LSD psychotherapeutisch zu nutzen. Seine Patienten konnten dadurch ihre frühkindlichen Erinnerungen viel effizienter aufarbeiten und überraschender Weise standen sie immer mit Geburtstraumata in Zusammenhang. Ebenso befasste sich Stanislav Grof zeitgleich mit LSD und konnte mit Hilfe seiner Patienten 4 prä- und perinatale Matrizen beschreiben:
Paradiesischer Zustand, im Bauch der Mutter, Fötus schwingt im Bauch, ist über die Nabelschnur gut versorgt, Schlackenabtransport ist dadurch gesichert, eng verbunden, gleichbleibende Temperatur, Fötus schwimmt wie im Kosmos, mütterlicher Uterus als paradiesische Erfahrung; das Leben ist leicht, es fliegt mir alles zu, ich brauche mich nicht anzustrengen, bin optimal versorgt.
Bei schlechten Bedingungen: Ekel, Vergiftungsgefühl, wie gelähmt sein, nicht aufgehoben sein von der Welt, nur als Leistungsträger Daseinsberechtigung, Bedürfnisse werden nicht erkannt im Kontakt mit der Welt und Menschen, in Symbiose fühle ich mich nicht wohl.
Höllenstadium, Engegefühl, Begrenzungsgefühl, kein Ausweg in Sicht, Druckaufbau, der Persönlichkeitszustand eines Menschen kann positiv sein, Begrenzungserfahrung, gut und sicher sich in seinen eigenen Grenzen zu fühlen und auch Grenzen setzen können, Kraft spüren.
Bei schlechten Bedingungen: keine Begrenzung spüren, grenzenlos, kann eigene Grenzen sowohl die der Mitmenschen nicht wahrnehmen, sieht keinen Ausweg und kein Licht
Fegefeuer-Stadium
Beginn der Wehentätigkeit, Blasensprung, Kopf senkt sich ins kleine Becken, Druckabbau beginnt; es gibt Licht am Ende des Tunnels, es geht los – ein starker Kraftakt und gemeinsamer Körpertanz zwischen Mutter und Kind. Erkenne, dass es eine Durststecke gibt, aber dann habe ich es geschafft
Bei schlechten Bedingungen: Intensivierung des Leidens bis in kosmische Dimensionen, Religionen (z. B.: Christi Leiden und Tod am Kreuz), intensive physische Manifestationen wie Druckgefühle und Schmerzen, Muskelverspannungen und Entladung durch Zittern und Zuckungen, Herzangst, Schwitzen, Übelkeit, Ohrensausen
Paradiesischer Zustand draußen, Freiheitsgefühl, geschafft, gut aufgefangen in Freiheit, erster Körperkontakt, Bindungsgefühl, Umwandlung, Individuation, willkommen sein, Autonomie und Bindung
Bei schlechten Bedingungen: Atemnot, Erfahrung von Tod und Wiedergeburt, messianische Wahnvorstellungen, Exhibitionismus, Angst vor Veränderungen, Angst vor Neuem
Diese Erfahrungen des Kindes sind prägend für das spätere Leben. Belastungen in diesen Stadien der frühen Lebensentwicklung eines Kindes können sich folgenschwer im Verhalten und im Körper des Kindes manifestieren. Doch mit Hilfe professioneller Unterstützung im psychosozialen sowie im körpertherapeutischen Kontext kann geholfen und so manche Störung verändert werden. Je früher desto besser (vgl. Grof 2015).
Es ist ein wunderbar schönes Gefühl, ein schreiendes Baby auf dem Arm zu halten und zu erleben, wie es sich beruhigt, anschmiegt und ruhig wird. Aber es ist entmutigend und enttäuschend und sogar verletzend, wenn sich das Baby nicht beruhigt, sich aufbäumt und schier endlos schreien muss. Entweder man erlebt ein bindungsstiftendes Signal, das Glück und Zärtlichkeit mit sich bringt oder man erlebt Wut und Hilflosigkeit, die zu Depression oder sogar zu Kindesmisshandlung führen können, also bindungsgefährdend wirken.
Das Schreien des Babys ist ein erstes Werkzeug sich zu regulieren und auf die Co-Regulation der Mutter zu warten und hoffentlich zu erleben, dass es sich beruhigen kann. Falls dies nicht geschieht und das Kind gezwungen ist, sich durch exzessives, andauerndes Schreien weiter zu regulieren, spricht man heute wissenschaftlich von „Regulationsstörungen der frühen Kindheit“.
Weiters zählen Schlafstörungen und Auffälligkeiten bei der Nahrungsaufnahme, Störungen der Affekt- und Aufmerksamkeitsregulation, Spielunlust bis hin zu Auffälligkeiten der Bindungs-Explorationsbalance und der Abhängigkeits- und Autonomiebalance zu diesen Regulationsstörungen (vgl. Papousek, Schieche, Wurmser 2010).
„Halt dein Rößlein nur im Zügel,
kommst ja doch nicht all zu weit.
Hinter jedem neuen Hügel
dehnt sich die Unendlichkeit.
Nenne niemand dumm und säumig,
der das Nächste recht bedenkt.
Ach, die Welt ist so geräumig,
und der Kopf ist so beschränkt.“
(Wilhelm Busch)
Wenn das ungeborene Kind unerwünscht ist, ein dramatisches Erlebnis wie Zwillingstod hinter sich hat, plötzliche äußere Umstände bei der Mutter wie Unfall, Krankheit, Schock, Depression auftauchen und auf es einwirken und ins Neue zu gehen – die Geburt selbst – als etwas Bedrohliches erlebt wird, verankert sich das Erlebte auf jeder Stufe der Entwicklung in jeder Zelle, in jedem Organ, im gesamten Nervensystem und auch im Gehirn. Angst und Stress sind dafür verantwortlich, dass das Kind allmählich den Schatz, den es mit auf die Welt bringt, verlieren wird: seine Unbefangenheit, sein Vertrauen, seine Entdeckerfreude, seinen Gestaltungswillen, seine Lust am Lernen und somit seine Überzeugung, dass Probleme lösbar sind und immer weiter über sich selbst hinauszuwachsen zu können. Die Folgen dieser Entwicklungen sind heute schwer abschätzbar, aber es wird diesen Kindern nur schwer gelingen, die hochkomplexen Erregungsmuster in ihren Gehirnen aufzubauen und als neuronale und synaptische Verschaltungsmuster zu stabilisieren, die für schwierige Wahrnehmungs- und Lernprozesse erforderlich sind. Die Kinder sind verunsichert, ängstlich oder wütend und erleben nur schwer das Gefühl, etwas geschafft, gemeistert zu haben und das stolze Gefühl dabei, über sich hinauszuwachsen.
Kinder brauchen eine geschützte Umgebung und eine Sicherheit bietende, emotionale Beziehung. Dadurch könnte es ihnen gelingen, wieder an die alten, von allen Menschen unterschiedlich erlebten, gestörten Erfahrungen im Mutterleib anzuknüpfen, Sicherheit und Vertrauen in die emotionale Beziehung wiederentdecken und für das weitere Leben zu festigen. Diese Kinder werden selbstbewusst die Welt neu entdecken (vgl. Hüther 2017).
„Nur die Liebe lehrt uns, das Leben als Geschenk zu nehmen und uns selber zu betrachten als etwas von Gott Gesegnetes. Diese wunderbare Fähigkeit besitzen wir, einander so ins Herz zu schließen, dass wir noch einmal, wie von vorn, zur Welt geboren werden, so dass alles, was wesensursprünglich in uns liegt, zum Leben zugelassen ist (……).
Kein Mensch kommt auf die Welt ohne die Frage, ohne das fast unstillbare Bedürfnis, in der Liebe eines anderen zu hören und zu wissen, dass er mit seinem Dasein etwas Erwünschtes, geradezu Notwendiges ist. Nur dann wird er sich wagen und mutig in sein Leben treten (Drewermann 1991, S.110).
(Auszug aus der Diplomarbeit von Monika Ploier zum Diplomierten Kindergesundheitstrainer:
„Das regulative Zusammenspiel von Beziehung und Bewegung für die gute Entwicklung zum wahren Selbst des Kindes“)