Focusing ist eine anerkannte Methode aus der Humanistischen Psychotherapie.
Eugen T. Gendlin, geboren 1926 in Wien, emigrierte 1938 in die USA.
Er war Mitarbeiter von Carl Rogers, dem Begründer der Klientenzentrierten, heute Personzentrierten Psychotherapie und dessen Nachfolger in der Universität von Chicago.
Gendlin hat den Namen Focusing geprägt und die dahinterstehende Therapiemethode entwickelt.
Focusing bedeutet, die Klientin/den Klienten zu einer Form nach innen gerichteter körperlicher Aufmerksamkeit anzuleiten. Diese Erfahrung ist zwischen bewussten und unbewussten Prozessen angesiedelt. In diesem Zwischenraum ist der Ort, an dem Neues auftaucht und Veränderung geschehen kann. Dieser quasi wortfreien Zone – der wahren Präsenz bzw. Wirklichkeit – Beachtung zu schenken, birgt die Quelle des echten therapeutischen Prozesses in sich: die Quelle aufspüren, mit ihr verweilen und ihre deutliche lebensbejahende Qualität nutzen!
Die Klientin/der Klient erlangt die Erkenntnis ihrer / seiner Unabhängigkeit vom Therapeuten, weil der Ursprung der Veränderung und das Gespür für „Wahrheit“ in ihr/ihm selber liegen
Grundsätzlich ist Focusing eine ganzheitliche Wahrnehmung von Zeit und Raum, eine neu empfundene – innerliche – Wahrnehmung von sich selbst, des Körpers, der Seele, des Geistes.
Focusing ist das Werkzeug, die Tür zum Innern des Menschen zu öffnen.
6 Instruktionen dienen dazu, einen Focusing-Prozess zu führen. Dabei sei erwähnt, dass diese Anleitungen nicht immer gleich ablaufen können oder generalisiert werden können und der Focusing-Prozess immer der Individualität der einzelnen Person unterstellt ist.
Es ist daher faszinierend, dass die Erlebensschritte nie gleich ablaufen und es immer Überraschungen geben kann.
Ruhig zu werden, sich selbst wahrnehmen, den Atem spüren, den Körper von innen spüren, so beginnt Focusing!
Ich nehme mich wahr, innen und außen. Passt mir meine Umgebung, die äußeren Einflüsse?
Ich nehme mein Innerstes wahr, mache geistig Platz und ordne meine Probleme, dann kann das wichtigste Problem vorerst auftauchen. Ich spüre die notwendige innere Distanz dazu.
Habe ich „Platz“ geschaffen, ist es erst möglich, den Felt sense, das Vage, Verwirrende, Ungelöste zu erfühlen und Aufmerksamkeit dorthin zu lenken. Das „Hin- und Hergehen“ zwischen dem Problem (dem Vagen) und der
Körpermitte lässt den Felt sense entfalten.
Ich bekomme bzw. ….
einen Zugriff in Wort oder Bild, der mir den Felt sense genau beschreibt.
Stimmt das Griff-Wort oder Griff-Bild, spüre ich Erleichterung, das gute Gefühl, dass es passt.
Ich frage den Körper:
„Passt es dir? Ist es wirklich so?“ Erleichterung mit körperlichem Signal tritt auf, ein eindeutiges JA oder NEIN.
Ich frage mein Körperinneres, mir den Felt sense genau zu beschreiben. Jede kleinste Ecke soll Licht bekommen.
Z. B.: „Was ist das Schlimmste an der Sache?“ oder:
„Was braucht „es“, um sich besser zu fühlen?
In Verbindung mit meinem Körper, ist mir mein Problem völlig klar und irgendwann löst sich eine Spannung, ein inneres Bild vom alten, vertrauten Muster und Neues wird möglich.
Und dieses Neue nehme ich ….
Ich begrüße es, lasse ihm Raum, um da zu sein -atme – freue mich an der Veränderung/ Erleichterung!
In der Regel laufen gerade anfangs nicht alle 6 Instruktionen immer glatt ab. Es ist ein „Gehen lernen“ sich immer besser spüren und verstehen lernen.
Ich möchte vorerst zwei Beispiele anführen, um zu verdeutlichen wie sich Veränderungsschritte und Heilung durch Focusing bei mir gezeigt hatten:
B1:
Mein Großvater mütterlicher Seite gilt seit dem 2. Weltkrieg als vermisst. Meine Mutter, damals ca. vier Jahre alt, wartete und hoffte jedes Jahr und ganz besonders zur Weihnachtszeit, dass ihr Vater nach Hause kommen würde. Sie hatte in ihrem Leben nie wirklich über den Verlust ihres Vaters trauern oder sich verabschieden können und die quälende Ungewissheit, was wirklich mit ihm genau passiert war, wirkte sich in ihrem weiteren Leben als große Resignation, Hoffnungslosigkeit und Lähmung, in Leichtigkeit und Freude hinauszutreten aus. Dieses Familienthema tauchte bei mir in einer Focusing-Sitzung auf. Wie oft hatte ich mich als Kind gefragt, was mit Opa geschehen war und wie unruhig meine Beine beim Einschlafen immer „ausgeschlagen“ hatten, von Kindheit an bis zu dieser Therapiestunde. Zu Hause nahm ich mir Auszeit und schlief. Plötzlich fuhr ich schweißgebadet aus dem Schlaf. Ich erwachte mit dem Bild vom Kopf eines Soldaten, dessen Gesicht mit Dreck verschmiert war und ein unsagbarer Schrei kam aus seinem Mund. Für mich war sofort klar, mein Opa war im Krieg verletzt worden und elendig verstorben. In der Hölle des Krieges hatten seine Kameraden seinen Tod nicht wahrgenommen.
Seit diesem Bild der Erkenntnis schlafe ich “beinschüttelfrei“ ein.
B2:
Ich war lange Zeit Raucherin und dem Alkohol gegenüber nicht abgeneigt. Je mehr ich mich aber geöffnet, mich meinen Themen bzw. Problemen gestellt und mich selbst verstanden hatte, desto weniger griff ich zur Zigarette und hörte dann ganz zu rauchen auf. Je mehr ich auch mein Leben geachtet und angenommen hatte, konnte ich auch das „Vernichtungs- und Betäubungsquantum“ an Alkohol loslassen. (Toxische Gifte im Mutterbauch durch Zwillingstod und mit 8 Jahren Überdosierung des Narkotikums bei der Mandeloperation). Diese inneren Anteile meines Ichs sind aufgewacht!
Ich hatte meinen Mann Paulus zur Psychotherapie 5 Jahre lang begleitet, ohne anfangs wirklich „gecheckt“ zu haben, dass durch den Freiraum, der durch die Therapeutin geschaffen worden war, sich mein „Innerstes“ geöffnet hatte.
Ich konnte ein Stück weit zur Ruhe kommen.
Kaum zu glauben für die Personen, die mich gekannt hatten!!
Ich konnte in Begleitung ein wenig schlafen und dann einen Zustand des Friedens, eine Art meditativen Zustand wahrnehmen und doch war ich präsent.
Die Heimfahrt von der Therapie war oftmals „meine Stunde“. Eine Flut von Gefühlen ergoss sich im Auto und danach spürte ich Erleichterung.
Erst im Nachhinein war für mich klar, was im Lehrbuch von Gene Gendlin stand:
Diesen Rand erspüren, dort hinzugelangen, wo das „Vage“ sich zeigen kann und wahrgenommen werden kann. Die Grenze zwischen Bewusstem und Unbewusstem erspüren, dass sich Verdrängtes, Verschwiegenes oder Vergessenes auftauchen traut und sich mitteilt und das durchaus auch körperlich spürbar ist!
Ein echter Schlüssel bei Focusing ist dieses Dasein-Lassen!
Das Vage, das gefühlte „Da ist noch viel mehr“ darf sein, nimmt Platz und teilt sich Stück für Stück mit.
Das war meiner Meinung nach auch das Geheimnis bei den zahlreichen Familienaufstellungen mit Focusing. Das Problem darf sich von selber ohne Drängen, Interpretieren oder gar Manipulieren zeigen und ausdrücken, auch wenn es oft lang gedauert hatte bis die Lösung endlich richtig und sicher für alle sichtbar, spürbar und greifbar war.
Das ist auch die große Faszination für mich und das Wunder des Menschen wie Seele und Körper Hand in Hand gehen. Mein Mann und ich haben erleben müssen, dass schreckliche Erfahrungen den Körper lähmen und wir haben erleben dürfen, dass durch Freiraum, wahre Aufmerksamkeit und empathische, echte Begleitung Seele und Körper heilen können!
Ich Paulus P. bin 1965 geboren und querschnittgelähmt seit einem Sprung ins seichte Wasser als Surf- und Segellehrer 1984 (HWS C4 – C5). Ab diesem Unfall hatte ich Schmerzen am ganzen Körper.
Sie bestimmten mein Leben!
Ich besuchte viele Heilpraktiker, Heiler, Ärzte und Schmerzspezialisten – eine Medikamentenodyssee!
Diese Zeit bezeichne ich heute gerne als „Inselhüpfen“ in einem scheinbar endlosen Ozean auf der Suche nach Heilung.
Bis 1995: Da hatte ich bei einer Psychotherapeutin Festland erreicht.
Von Anfang an war für mich die innere Sicherheit spürbar, dass die Therapieform Focusing mir helfen würde. Fünf Jahre hindurch, jeden Freitag Therapie war für mich eine unbeschreibliche Notwendigkeit, ein Anker so wie mein kindlicher, christlicher Glaube an die Heilung des Gelähmten: „Steh auf, nimm Dein Bett und geh. Deine Schuld ist Dir vergeben!“
Die unsagbaren Schuldgefühle, die ich seit Lebensbeginn (Zeugung, Schwangerschaft, Geburt), durch sexuellen Missbrauch und Gewalterfahrung in der Kindheit und Jugend kannte, prägten sich tief in meine Seele und manifestierten sich in meinen Körper: Keinen Schritt mehr fürs eigene Leben zu wagen!
Ich behaupte, dass mit Beginn dieser besonderen Aufmerksamkeit durch die Psychotherapie mit Focusing der Heilsweg „des gelähmten Paulus`“ begonnen hat!
Meine Heilsschritte des Aufstehens bezeichne ich als das wiederholte Durchwandern der Hölle!
Die schockierten, im Wahnsinn befindlichen, sich schützenden, in Lähmung resignierten Abspaltungen von meinem Ich brannten wie das Fegefeuer in meinem Mark und Bein und auf meiner Haut.
Diesem gesamten Seelenschmerz Raum zu geben, da sein lassen, ganzheitlich wahrzunehmen, die inneren, verletzten Anteile abzuholen mit der Botschaft, frei von Schuld zu sein, forderte ein immenses Geduldspaket.
Heute bin ich frei von Schmerzen, Medikamenten und Ängsten, manipuliert und missbraucht zu werden.
Ein sicheres Stehen und Gehen bedarf der Übung!
Zu sich selbst stehen, zur eigenen Geschichte ermöglicht ein sicheres Auftreten, potent zu sein den Mächten des Alltags gegenüber (z. B. Ärzten, Ämter, Institutionen, hierarchische Strukturen und der eigenen Familie). Das, denke ich, ist bei mir trainiert und neu programmiert worden!
Meiner Meinung nach braucht Heilung viele kleine Veränderungsschritte:
Wie oft war ich am Anfang der Therapiestunde verzweifelt, mit Panikattacken gegeißelt, schmerzüberflutet, so dass ich einen Krampf im Magen verspürte und mir nur mehr zum Kotzen war………..! Um so wunderbarer war es, dass am Ende der Focusing-Stunde Tränen der Erleichterung über meine Wangen flossen und sich ein Heißhunger nach Frittatensuppe breitmachte! (Ich habe viele Wirtshäuser in dieser Zeit am Nachhauseweg kennengelernt!)
Es zählt in jedem Fall der gelebte Augenblick!!